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Das Widerrufsrecht ist nicht auf den arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag anzuwenden


21.05.2018

Besprechung des Urteils des LAG Niedersachsen vom 07.11.2017, 10 Sa 1159/16

 

Grundsatz: Der Verbraucher sollte durch Einführung der Regelungen über „Haustürgeschäfte“ in das Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vor der Überrumpelung durch unseriöse Geschäftspraktiken geschützt werden. Hierzu wurde unter anderem ein Widerrufsrecht im Gesetz kodifiziert, dass jedem, der Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist. Neben dem besagten Widerrufsrecht, wurden auch einer Vielzahl an Belehrungs- und Informationspflichten mit in das Gesetz aufgenommen. Die seinerzeit für den Widerruf sogenannter „Haustürgeschäfte“ geschaffene Regelung findet sich heute im §§ 312g Abs. 1, 355 BGB wieder, auch wenn das Gesetz nun von „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“ und „Fernabsatzverträgen“ spricht. Der Anwendungsbereich des § 312g Abs. 1 BGB ist daher weit, da er auf eine Vielzahl von zivilrechtlichen Verträgen Anwendung findet.

 

Im Grundsatz ist jeder Arbeitnehmer auch „Verbraucher“ im Sinne von § 13 BGB und der Arbeitsvertrag ist Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB.

 

Problematik: Häufig kommt es vor, dass Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber schließen, um entweder einer drohenden Kündigung zu entgehen, oder weil der Arbeitgeber finanzielle Vorteile für das freiwillige Ausscheiden des Arbeitnehmers verspricht.

Die Vorteile für den Arbeitgeber liegen auf der Hand: Er entgeht dem Risiko eines möglichen Kündigungsschutzprozesses, der sich an eine Kündigung des Arbeitnehmers anschließen könnte. Außerdem kann er die Aufhebungsverträge mit den Arbeitnehmern aushandeln, wobei sich der Arbeitgeber häufig in der stärkeren Verhandlungsposition befindet.

Ein Aufhebungsvertrag ist wie jeder andere Vertrag grundsätzlich rechtlich bindend und daher durchzuführen. Merkt der Arbeitnehmer im Nachgang der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages, dass dieser für ihn erhebliche Nachteile birgt, oder er sich seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt falsch ausgemalt hat, stellt sich häufig die Frage, auf welchem Wege der Aufhebungsvertrag aus der Welt geschaffen werden kann. Neben den Anfechtungsrechten gemäß §§ 119 ff. BGB, die in der Praxis kaum eine Rolle spielen, und dem Anfechtungsrecht aus § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung, die an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden sollen, wird immer wieder versucht einen arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag gemäß der Regelung des § 312g Abs. 1 BGB zu widerrufen.

 

Nach Ansicht des LAG Niedersachsen handelt es sich bei dem arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag jedoch nicht um ein Haustürgeschäft.

 

Der Sachverhalt:

 

Die klagende Arbeitnehmerin und die beklagte Arbeitgeberin streiten um die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages. Die Parteien haben am 15.02.2016 ein Aufhebungsvertrag unterzeichnet, der das Arbeitsverhältnis noch an diesem Tag sofort beenden sollte. Die Beklagte hatte die Klägerin während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit an ihrer Heimatsadresse aufgesucht. Der Aufhebungsvertrag wurde bei der Klägerin zu Hause unterzeichnet. Dabei stand auch im Streit zwischen den Parteien, ob die Klägerin durch widerrechtlicher Drohung zu Unterschrift bestimmt worden ist. Die Klage der Arbeitnehmerin wurde durch das Arbeitsgericht abgewiesen. Gegen das klageabweisende Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, über die das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hier zu entscheiden hatte.

 

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen:

 

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschied zugunsten der beklagten Arbeitgeberin und urteilte, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 15.02.2016 rechtswirksam beendet wurde. Eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages kann nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, da der Klägerin kein Anfechtungsgrund zur Seite stand. Zum einen konnte der Senat dem Vortrag und der Anhörung der Klägerin nicht entnehmen, dass diese zur Abgabe der Willenserklärung widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist.

Zum anderen konnte die Klägerin nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auch kein Widerrufsrecht hinsichtlich des Aufhebungsvertrags ausüben. Wie eingangs erwähnt, gewährt § 312g Abs. 1 BGB dem Verbrauch aber außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB. Ein solcher Vertrag liegt gemäß § 312b Abs. 1 Nummer 1 BGB dann vor, wenn bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers ein Vertragsschluss an einem Ort erfolgt, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist.

 

Der erkennende Senat des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen stellt jedoch fest, dass der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag kein nach diesen Vorschriften widerruflicher Vertrag ist. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen ist ebenfalls der Ansicht, dass der Arbeitnehmer „Verbraucher“ im Sinne von § 13 BGB und der Arbeitsvertrag ein Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB ist. Hieraus folge allerdings noch nicht, dass es sich bei dem arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag um ein Haustürgeschäft handelt. Der Senat des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen urteilte hierzu, dass das „Haustürwiderrufsrecht“ nach §§ 312 ff. BGB ein sogenanntes „vertragstypenbezogenes Verbraucherschutzrecht“ sei und daher nur auf „besondere Vertriebsform“ Anwendung finde, nicht jedoch auf Verträge, die wieder Arbeitsvertrag unter arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag keine Vertriebsgeschäfte sind. Bezüglich des letzten Satzes folgte das Landesarbeitsgericht Niedersachsen damit dem Bundesarbeitsgericht, dass diese Grundsätze in seinem Urteil vom 27. 11. 2003, Aktenzeichen 2 AZR 135/03, aufgestellt hatte. Ebenfalls sprechen nach Ansicht des erkennenden Senats Sinn und Zweck der Norm gegen deren Ausdehnung auf das Arbeitsrecht. Das LAG war davon überzeugt, dass sich durch die Neuformulierung des § 312 G BGB für die Zeit seit dem 13.06.2014 nichts geändert hat. Insbesondere erfolgte der Hinweis darauf, dass der Aufhebungsvertrag keine entgeltliche Leistung der Beklagten zum Gegenstand hatte. Eine solche entgeltliche Leistung wird bei einem Aufhebungsvertrag regelmäßig auch dann nicht angenommen, wenn mit diesem eine Abfindung durch den Arbeitgeber versprochen wird. Die entgeltliche Leistung sei gemäß § 312 Abs. 1 BGB aber Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 312-312h BGB. Aus diesen Gründen war die Berufung der Klägerin im Ergebnis ohne Erfolg.

 

Bedeutung für die Praxis:

Die Frage, ob und unter welchen Umständen ein Aufhebungsvertrag gemäß der §§ 312 ff. BGB widerrufen werden kann, wird die juristische Praxis und somit insbesondere die Fachanwälte für Arbeitsrecht mit Sicherheit noch einige Zeit beschäftigen. Auch wenn die argumentative Grundlage der Gerichte, die sich bisher zu der Streitfrage geäußert haben, nachvollziehbar erscheint, gibt es ebenso aufkommende Stimmen, die beispielsweise infrage stellen, ob tatsächlich bei einem Aufhebungsvertrag, der finanzielle Komponenten enthält, keine Entgeltlichkeit vorliegt. Letztlich geht dieses Argument auch nicht völlig fehl, denn wie eingangs erläutert, haben Aufhebungsverträge regelmäßig einen finanziellen Hintergrund sowohl für den Arbeitnehmer als auch den Arbeitgeber. Wird dann noch der Arbeitnehmer an seinem Wohnort aufgesucht, um einen entsprechenden Vertrag zu unterzeichnen, kann argumentativ durchaus eine parallele zu den zivilrechtlichen Verbraucherschutzrecht gezogen werden.

 

Hierbei ist auch zu beachten, dass das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in der hier thematisierten Entscheidung vom 07.11.2017, Aktenzeichen 10 Sa 1159/16, die Revision zum Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, nach der seit Juni 2014 geltenden Rechtslage widerruflich sind, zugelassen hat.

 

Weiterhin hat das LAG Niedersachsen seine Entscheidung auch damit begründet, dass die §§ 312 ff. BGB der Umsetzung der Verbraucherschutzrichtlinie 85/577/EWG dienen und dass die Richtlinie auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge keine Anwendung findet. Insofern kann es hier zu einem Spannungsverhältnis zwischen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommen, soweit dieses zu der Auffassung kommt, dass arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nach der seit Juni 2014 geltenden Rechtslage widerruflich sind. Es besteht daher sogar die Möglichkeit, dass das Bundesarbeitsgericht letztlich eine richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts dergestalt vornehmen muss, dass trotz der geänderten zivilrechtlichen Rechtslage ein Widerrufsrecht im Bereich des Arbeitsrechts weiterhin aufgrund einer europarechtskonformen Auslegung des deutschen Rechts scheitert.

 
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